Change Management ?

Wer heutzutage die Nachrichtenmeldungen verfolgt, den kann eine Fahrt in der Geisterbahn nicht erschrecken.

Eingeklemmt zwischen Meldungen über IS Horror und atomaren nordkoreanischen Drohszenarien, beunruhigt durch eine Massendemonstration grölender Rechtsradikaler am polnischen Nationalfeiertag als ein weiteres Anzeichen für den Aufstieg des neuen Nationalismus in Europa, bekommt man als Draufgabe die Meldungen über klimapolitische Realitätsverweigerung diverser Rechtspopulisten a la Trump frei Haus dazu.

Sein „America first“ Slogan verspricht unabhängige nationale Handlungsmöglichkeiten, die beispielsweise in Zeiten des globalen Klimawandels eigenartig antiquiert erscheinen.

Die Liste ließe sich noch fortsetzen!

Die Hochkonjunktur der grenzenlosen Vereinfacher und Radikallöser mit starkem Hang zur Intoleranz stimmt sehr nachdenklich. Und mindestens ebenso nachdenklich stimmt die Erkenntnis, dass Politiker dieses Typs auf durchaus breite Zustimmung in ihren Ländern zählen dürfen.

Demokratische Kultur geht stückweise zurück, Gewaltbereitschaft steigt.

Was findet da statt?

Um es gleich vorweg zu sagen:  jedes Land hat seine eigene Geschichte, in ihm wirken seine eigenen Ursachen, die zu diesen Entwicklungen geführt haben und sind allesamt nur schwer vergleichbar.

Trotzdem verbindet sie eine Gemeinsamkeit: die Angst vor tiefgehenden Veränderungen, die gefühlsmäßig längst spürbar sind und deren mögliche Auswirkungen sich nicht fassen lassen.

Es scheint, als ob die Zukunft vielen Menschen die ihnen lieb gewonnenen Teile „ihres“ Lebens wegnimmt. Sie fühlen sich um ihre Zukunftserwartungen betrogen. Und das schmerzt.

Zeiten des Wandels sind Zeiten hoher Komplexität. Was gerade noch funktioniert hat, macht nun Probleme. Was in Zukunft irgendwie funktionieren soll, klappt noch nicht. Wandel heißt daher in Parallelwelten leben zu müssen, verbunden damit, Lösungen zu finden, die immer irgendwie mit Verzicht einher gehen. Und das will organisiert sein. „Change Management“ eben.

Diesen Prozess kann man als Gesellschaft offen und offensiv beginnen, mit Augenmaß für alle Teile der Gesellschaft, damit keine Bevölkerungsgruppe sich zu sehr benachteiligt fühlt.

Oder eine Gesellschaft verweigert, führt keinen Diskurs über drohende Veränderungen, glaubt sich abducken zu können, verneint die Konsequenzen, flüchtet in Vergangenes, Traditionelles.

Die neue Welle des grölenden Nationalismus passt da gut hinein. Was als nationale Identität politisch allzu gern angeboten wird und universeller Bezugsrahmen für autoritär getränkte Politik ist, löst langfristig kein Problem. Nationaler Isolationismus ist bestenfalls Erkenntnisaufschub für eine Gesellschaft. Kein Zeitgewinn. Nur Zeitverlust.

Am Beginn jedes gesellschaftlichen „Change Managements“ steht die breit akzeptierte Erkenntnis, dass der Wandel notwendig und fällig ist. Diese Akzeptanz zu erreichen ist eine ungemein schwierige Aufgabe, weil sie mit breiter gedanklicher Mobilisierung verbunden ist. Sie ist ein ungeheurer kollektiver Kraftakt, dessen Kraft aus ruhiger wissensbasierter Analyse, breiter – für alle Interessierten –  verständlicher Information und gesellschaftlich annehmbaren Lösungsansätzen besteht.

Ein herrliches Umfeld für jeden Demagogen, der damit die Gefühlsklaviatur der Schuldigensuche, des Neids und der gesellschaftlichen Spaltung auf und ab spielen kann.

Das politische Angebot der radikalen Vereinfacher erweist sich da als sehr verlockend. Bei ihnen braucht sich niemand gedanklich zu mobilisieren. Und wer weiß, vielleicht funktioniert es ja doch noch einmal, das Alte, das Einfache, das radikal Vereinfachte, das immer schon Dagewesene und Gewohnte.

Schade, dass in Europa gerade wieder Zeit verloren wird!