Wenn die Nebel sich lichten…..

Diese Regierung wird noch viel Arbeit verursachen. Das steht fest.

Die Wähler haben diese Koalition durch das Wahlergebnis ermöglicht. Es ist daher das gute Recht dieser Koalitionsregierung ein Programm zu entwerfen, von dem sie sich erwartet, in fünf Jahren wieder mit einer Mehrheit ausgestattet zu werden.

Dabei erstaunt aber wie „österreichisch“ dieses Programm ist. Eine Andeutung da, eine Unschärfe dort, eine kleine Gemeinheit versteckt eingebaut, eine große Gemeinheit durch ein nachfolgendes Zuckerl gleich abgemildert und vor allem viel Ungeklärtes.

Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Ein 12 Stunden Arbeitstag, der auf Betriebsebene (!) verhandelt werden soll, abnehmendes Arbeitslosengeld als Motivationsanreiz (wofür?, wenn keine Jobs da sind), die Wegnahme des Bargelds von Asylsuchenden, die dann nur noch Sachleistungen beziehen sollen (ist das die Widereinführung der Tauschwirtschaft?), ein Benchmarking in der Kunstförderung (womit die ohnedies kaum existente Avantgarde in Österreich endgültig beseitigt wird), eine politische! Gängelung der ÖH, verbunden mit einer Herabsetzung der Wiederholmöglichkeiten bei Prüfungen (weil ja jeder Student so gern mehrfach zu Prüfungen antritt), Aufweichungen im Mietrechtsgesetz, die die Kernklientel der FPÖ wohl am meisten treffen wird und viele neue Überwachungsgesetze, die allesamt im Bereich der FPÖ geführten Ministerien entworfen werden sollen.

Ein Kapitel ist allerdings sehr konkret ausformuliert: der Medienteil. Darin wird z. B. eine Verschärfung der „Transparenzbestimmungen“ zur Sicherung einer objektiven (wer wird darüber entscheiden?) und unabhängigen Berichterstattung im ORF angekündigt und für die politisch hoch sensible  Medienbehörde, einer bislang weisungsfreien Einrichtung, die die ohnedies nur geringe Offenheit des österreichischen Medienmarkt überwacht und  Beschwerdestelle medialen Missbrauchs ist, eine neue Struktur verlangt.

Dagegen ist die Aufwertung des demnächst FPÖ geführten ORF-Stiftungsrats, mit dem sich die ORF Führung in Zukunft verstärkt abstimmen soll, geradezu harmlos.

Diese Konkretisierung im Regierungsprogramm macht skeptisch.

Gerade Länder mit autokratisch orientierten Regierungen nehmen als erstes die Gängelung der Medien ins Visier. Ungarn, Polen, Russland, Türkei, um nur vier Beispiele zu nennen, haben jeden Respekt vor der Bedeutung medialer Freiheit abgelegt, mit dem Ziel, sich damit der öffentlichen Diskussion entziehen zu können.  Nach dem Prinzip: was in den Medien keinen Platz hat, findet in der gesellschaftlichen Wirklichkeit auch nicht statt.

Diese Regierung wird vor allem denen, die mit der Politik dieser Regierung nicht übereinstimmen, noch viel Arbeit abverlangen. Oppositionsarbeit ist harte Arbeit. Sie muss offenlegen, sie muss benennen, sie muss begründen, sie muss formulieren, sie braucht natürlich mediale Öffentlichkeit.

Ich glaube wir sind gut beraten, wenn wir mit unserem Empörungspotenzial umsichtig umgehen. Nicht jeder hingeworfene gudenische Aufregerknochen sollte sofort alle Empörungsaufmerksamkeit abziehen. Sonst könnte es nämlich passieren, dass im Windschatten solcher schlichter politischer Stresstests unmerklich und klammheimlich und kalkuliert die (medialen) Spielregeln unserer Demokratie geändert werden.

 

 

Die Angstmaschine

Die FPÖ soll u.a. die MinisterInnen für das Innen-, Verteidigungs- und (irgendwie) Heimatschutzministerium, stellen.

Nur mediales Blätterrauschen? Oder doch mehr?

Und? Was wäre das Problem? Die ÖVP hätte ja ohnedies alle Gestaltungsministerien plus die EU Kompetenz im Kanzleramt.

Mit den ÖVP MinisterInnen zieht die neue Zeit. Den Angstspiegel in der österreichischen Bevölkerung kann die FPÖ bedienen. Das ist die neue Arbeitsteilung.

Nur, so einfach ist das nicht.

Um Eines klar zustellen: ich will mir nicht den Kopf der ÖVP zerbrechen. Dazu habe ich keinen Anlass und es liegt mir auch ziemlich fern. Ich gehöre nur zu jenen Unbeirrbaren, die auf die Existenz des demokratischen Reflex vertrauen, der in allen Parteien, allerdings unterschiedlich stark, ausgebildet ist. Und dieses „unterschiedlich“ macht den Unterschied.

Demokratie braucht Freiräume, braucht die Bereitschaft, Meinungen Platz zu geben, die man selbst nicht mag, zuzuhören, wo man am liebsten weghören will, Respekt zu leben, wo das schnell Gefühlte den Anderen rasch zum „Idioten“ werden lässt. Demokratie braucht neugierige Toleranz.

Die Aufgabe der Demokratie ist es, dem Suchen nach der besten Lösung Ideen, Zeit, Vernunft und letztlich Zustimmung zu geben.

Ihr größter Feind ist inzwischen die hastige Angst, die in Zeiten zunehmender Komplexität nach der einen, alles lösenden, radikalen Entscheidung giert. Und weil keine Entscheidung alles löst, die Angst aber in ihrer Hast bleibt, wächst die Versuchung weg zu räumen, was aufhält am Weg zur nächsten (wieder nicht) alles lösenden Entscheidung. Der Treibstoff dieser hastigen Angst ist die Bedrohung. Je abstrakter, diffuser, unschärfer, desto besser.

In den Wahlkämpfen der letzten Jahre war die FPÖ stets der Magier der Angstmaschine.

Jetzt soll sie auch noch den Zugriff auf sämtliche Geheimdienste Österreichs und damit das Informationsmonopol über Bedrohungslagen aller Art erlangen, die dann ganz nach Bedarf in ihre Angstmaschine einfließen können?

Als konsequent Unbeirrbarer glaube ich natürlich an den demokratischen Reflex der Beamten, auch in diesen Institutionen.

 

 

 

 

Reaktion

Und ein Nachtrag, den ich gerne vornehme:

Auf den Beitrag „Mir san mir“ hat mir heute Stadtrat Michael Ludwig folgendes Mail, als Antwort, zugesendet.

„Lieber Christian!

Mit großem Interesse habe ich Deine Ausführungen auf Deinem Blog verfolgt und ich gebe Dir in vielen Punkten Recht.

Auch ich bin der Meinung, dass ein intensiver Diskussionsprozess innerhalb einer Partei – selbst wenn es auch um personelle Veränderungen geht – nicht zwangsläufig als schädigend, sondern als etwas Positives, etwas, das uns alle weiterbringen kann, gesehen werden sollte.

Es zeigt sich in diesem Prozess gleichzeitig die inhaltliche Breite, die es in einer Bewegung wie der Sozialdemokratie gibt und – wie ich meine –  auch geben sollte. Mit großer „Spaltung“ hat das ganz und gar nichts zu tun.
Eine Aussage, ob unsere Gremien die Wählerschaft repräsentieren, wage ich nicht zu treffen. Was ich jedoch bei meinen vielen Besuchen in Wohnhausanlagen, bei Festln, auf Kirtagen, etc. sehr wohl sehr oft höre  ist die Tatsache, dass sich manche Bevölkerungskreise von der Sozialdemokratie vernachlässigt fühlen.

Das muss nicht sein. Hier möchte ich ansetzen: Nur wenn wir die unterschiedlichen Bedürfnisse und Erwartungen der Bevölkerung erkennen, können wir mit entsprechenden Lösungen die Antwort geben.
Auf alle Fälle will ich eine weitere Spaltung der Gesellschaft, wie sie von den Rechtspopulisten in unserem Land betrieben wird, verhindern. Mein wichtigstes Ziel ist, die Stadt und ihre Bevölkerung mit den positiven und großartigen Dingen, die sie zu bieten hat, zu einen und zu verbinden.

Gleichzeitig verschließe ich nicht die Augen vor den Problemen, die zweifelsohne bestehen und die den Wienerinnen und Wienern Sorgen bereiten. Ja, es gibt in der Stadt eine erfolgreiche Politik, aber auch große Herausforderungen: die Entwicklung des Arbeitsmarktes, der soziale Ausgleich, der sehr stark mit der Integrationsfrage verbunden ist, und die Frage der sozialen Gerechtigkeit.

Ich sehe die große internationale Bedeutung der Stadt. Ich sehe aber auch, dass wir die Bevölkerung schützen müssen, die hier lebt. Ein Beispiel, um es zu verdeutlichen: Ich habe bei der Vergabe von Wohnungen einen „Wien-Bonus“ eingeführt, der jene bevorzugt, die schon länger in Wien wohnen. Das schließt Ausländer nicht aus, ist aber ein Zeichen für die Bevölkerung, dass man sich nicht ständig neuer Konkurrenz stellen muss. Das verleiht Sicherheit – ein sehr, sehr hohes Gut, das sich die Wienerinnen und Wiener ganz einfach verdient haben.

Ich freue mich jedenfalls auf einen fairen und solidarischen Wettbewerb in den kommenden Wochen.

Mit freundschaftlichen Grüßen

Michael Ludwig“
Ich denke, es ist eine faire Selbstverständlichkeit, dieses Mail – sofort und natürlich ohne Kommentar von mir – einer Diskussion zur Verfügung zu stellen.
Aber gefreut über seine rasche Reaktion habe ich mich schon….

Neoliberalismus 2.Teil; Homo Oeconomicus

Im amerikanischen Senat ist der Entwurf durch. Donald Trump hat einen ersten großen Teilerfolg  für seine Steuerreform erzielt.

Die Auswirkungen sind in ihrer ganzen Breite noch nicht abzuschätzen, aber eines scheint klar: die Umverteilung von Unten nach Oben wird mittelfristig die amerikanische Mittelschicht finanzieren und von den Ärmsten durch Kürzungen von Sozialleistungen bezahlt werden.

Und ob sich die Hoffnung erfüllen wird, mit der Absenkung der Unternehmenssteuer von 35% auf 20%, einen weiteren Wachstumsschub generieren zu können,  bleibt abzuwarten.

Am Rande dieses Prozesses hat aber etwas Erstaunliches stattgefunden. Rund 400 Reiche und Superreiche Amerikas haben in einem offenen Brief (http://www.responsiblewealth.org/read_the_letter) Stellung gegen diese Steuerreform bezogen. Sie lehnen darin u. a. eine weitere Spreizung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheit zu Lasten der Benachteiligten in der amerikanischen Gesellschaft ab,

400 Millionäre, die sich dagegen wehren, „arbeitslos“ mehr Geld zu bekommen?

400 Reiche, die gegen ihre eigenen Interessen offen auftreten und Partei ergreifen für Andere?

Sind diese 400 gar fehlgeleitete individuelle „Klassenverräter“, Verwirrte?

Wo bleibt denn da der Homo Oeconomicus, dieses zentrale Konstrukt in der neoliberalen Wirtschafttheorie, der streng nur seinem eigenen Interesse und Vorteil verpflichtet ist und demgemäß auch handelt?

Nun weiß ich schon, dass dieser Homo Oeconomicus nur ein vereinfachtes Menschenmodell darstellt. Aber er ist in den meisten ökonomischen Modellen eine Konstante und hat sich lange Zeit als unhinterfragte Unwahrheit einnisten können. So übrigens auch in der neuen politischen Ökonomie, die ja versucht soziale und gesellschaftliche Prozesse mit Hilfe ökonomischer Annahmen erklären zu können.

Wenn dieser Leitstern des ökonomischen Egoismus aus seiner Flugbahn gerät, sind die Folgen für eine Unzahl wirtschaftlicher Modelle katastrophal.  Es würde nicht ausreichen, diese Modelle ein wenig neu zu konzipieren, ein wenig neu zu rechnen, ein wenig neu zu modellieren.  Es würde stattfinden, was in der Physik die Entwicklung der Relativitätstheorie bewirkt hat: eine vollkommen neue Sicht der Wirklichkeit.

Das macht übrigens auch die Forschung von Prof. Ernst Fehr, einem Österreicher, der an der Zürcher Universität tätig ist, so spannend. Er versucht dem Wahrheitsgehalt des Homo Oeconomicus  mit empirischen Methoden auf die Spur zu kommen und gelangt zu erstaunlichen Ergebnissen der menschlichen Kooperation, jenseits des egoistischen Automatismus.

Fehr wird übrigens seit Jahren immer wieder in Zusammenhang mit dem Nobelpreis genannt. Kaum vorstellbar, was eine Preisverleihung bewirken würde.

Übrigens: auch Einstein hat den Nobelpreis „nur“ für die Entdeckung des Gesetzes des photoelektrischen Effekts erhalten und nicht für die Entwicklung der Relativitätstheorie!

Wie auch immer. Für all jene, denen der Homo Oeconomicus  als Modell schon lange eigenartig vorkommt, gibt es seit Kurzem 400 neue Gegenargumente….