Also gut. Ich versuch´s.

Herbert Lackner hat meinen letzten Beitrag in Bezug auf Ideen für Wien mit der Bemerkung  „das ist alles ein bissl unkonkret“ kommentiert. Stimmt.

Also gut. Ich versuch´s, ausgestattet mit viel Mut zum Unvollständigen.

Ohne hier jetzt die politischen Dauerbrenner Integration, Verkehr, Stadtplanung, Kultur, Wirtschaftsentwicklung, usw. zu ignorieren, leiste ich mir jetzt doch den Freiraum, zwei mögliche Orientierungsprojekte kurz zu skizzieren.

  1. Projekt: Wien wird in den nächsten 25 Jahren eine energieautonome Stadt.

Der erste Schritt:

Wien ist europaweit der größte Hausbesitzer. Rund 25 000 Gebäude befinden sich in Wien im Besitz einer Körperschaft. Die meisten davon sind wohl Gemeindebauten oder öffentliche Gebäude der Stadt Wien. Wien besitzt mit der Wien Energie einen marktdominanten Energieanbieter in dieser Stadt, der für die Strom- und Gasnetze zuständig ist.

Wenn ich mir vorstelle, wieviel Millionen Quadratmeter Dachfläche ungenutzt für den flächendeckenden Ausbau von Photovoltaik zur Verfügung stehen, fängt meine Energeiphantasie an zu rotieren.

Trotzdem, für die Faktenzweifler ein kurzer mathematischer Gegencheck:

Die Fläche Wiens umfasst 414.000.000 m2. In Wien stehen etwa 165.000 Gebäude. Unter der Annahme, dass 10% davon verwertbare Dachflächen sind, ergäbe das pro Gebäude eine durchschnittlich verwertbare Dachfläche für Photovoltaik (PV) von rd. 250 m2.

Nehmen wir vorsichtshalber an, dass von den 25.000 Gebäuden, die im Besitz einer Gebietskörperschaft stehen, 20.000 der Stadt Wien zuzuordnen sind, so ergibt das eine Fläche von zumindest 5.000.000 m2 die man nutzen könnte. Da pro Haushalt 20 m2 photovoltaisch genutzte Dachfläche reichen, ergibt das eine hypothetische Energiegewinnung, die ausreichen sollte, um 250.000 Haushalte in Wien mit Strom zu versorgen.

Österreich war am Beginn der PV-Welle gemeinsam mit Deutschland durchaus führend tätig. Inzwischen ist der technologische Lead längst nach China abgewandert.

Diese Technologie flächendeckend, vorerst nur auf den Gebäuden, die im Besitz der Stadt sind, einzusetzen, wäre ein starker Impuls, die technologische Weiterentwicklung der Photovoltaik wieder in Österreich anzukurbeln und damit eine Anschubfinanzierung zu leisten.

Damit verbunden ist eine zweite technologische Schiene, die der Speicherung der gewonnenen Energie. Ein Forschungsgebiet mit milliardenschweren Budgets, nicht zuletzt deshalb, weil sich hier ein gutes Stück Zukunft der E-Mobilität gestalten lässt.

2. Projekt: Digital Vienna

Wien war und ist ein Schmelztiegel unterschiedlicher kultureller Räume. Sie existieren nebeneinander, mitunter miteinander, glücklicherweise nur selten gegeneinander in dieser Stadt. Wien ist gewachsene Geschichte, die sich fortwährend kulturell verbreitert.

Interesse am Anderen scheitert nicht selten an der Unzugänglichkeit, an der räumlichen Distanz und auch an der sprachlichen Barriere.

Die Stadt sollte hier Geld in die Hand nehmen (z.B. ein Teil des Wiener Werbebudgets) und einen strukturierten virtuellen Raum im Internet gründen, der das Ziel hat, die Stadt virtuell abzubilden und die Nutzbarkeit ihrer Möglichkeiten zu verbessern.

Was heisst das konkret?

Am Anfang steht die strukturierte Beurteilung und in weiterer Folge die umfassende digitale, visuelle Erfassung der für Wien wichtigen Kulturgüter, soweit das noch nicht erfolgt ist. Ein Monsterprojekt!

Aber ein Monsterprojekt, das sich lohnt. Und war der Bau der Donauinsel am Beginn nicht ebenso ein Monsterprojekt?

Wieviele Geschichten schlummern in den hundert Wiener Museen, wieviel Alltagsgeschichten finden sich in den vielen Kirchen Wiens wieder, wieviele Schicksale haben ihre Spuren in den Strassennamen, Fassadenelementen, und Bauten hinterlassen.  Was digital erfasst ist, was als Bild oder Tondokument öffentlich vorliegt, kann der Ausgangspunkt für eine Geschichte sein, die der Ausgangspunkt für ein Verstehen sein kann, was Wien ist.

Bilder, Tondokumente, digitalisierte Modelle und deren Nutzungsrechte sind die Bodenschätze der digitalen Welt. Sie zu heben ist auch wirtschaftlich interessant. Was spricht dagegen, junge Menschen in Wien dazu einzuladen, mit diesen Dokumenten recherchierte Beiträge für das Net zu verfassen und als Anerkennung z.B. 100 Euro bei Annahme zu bezahlen.

Kurzer Gegencheck? Das Budget des Presse und Informationsdienstes der Stadt Wien (PID) betrug 2013 fast 52 Millionen Euro. Für 1/50 stel dieses Betrages könnte Wien 10.000 Beiträge pro Jahr oder 30 Beiträge pro Tag  ankaufen.

Weiters die Zusammenführung und der weitere Ausbau der vielen Datenbanken, die die wirtschaftlichen, kulturellen und vor allem freizeitbezogenen Möglichkeiten abbilden. Das Ergebnis, eine mehrsprachige Megasuchmaschine über Wien mit Anbindung an die weltweit vorhandenen Suchmaschinen.

Eine Megasuchmaschine, die über eine sog, Suchmaske extrem einfach Informationen zu und über Wien bereitstellt und eng verknüpft ist mit der Einführung einer Wien-Card, über die Kino, Theater, Konzertkarten, Eintrittskarten (von Bädern bis Museen) gekauft, Strassenbahn und Bustickets in einem Schritt aufgeladen und eine Fülle von Vergünstigungen in Anspruch genommen werden kann. Eine Megasuchmaschine, mit der auch „finanzielle Transaktionen“  mittels Wien-Card eng verzahnt sind. Das geht natürlich nur, wenn diese Wien-Card in erster Linie eine App für Smartphones ist und erst in zweiter Linie eine klassische Plastikkarte.

Diese Wien-Card in Verbindung mit einer offenen Plattform für Stadtmedien (Radio, TV z.B. W24, oder Websites), auf der redaktionelle Beiträge, Features, Hinweise, Tipps, Vergünstigungen, Verlosungen usw. (auch werbefinanziert) angeboten werden, soll dieses digitale Projekt redaktionell abrunden.

Digital Vienna soll für Wiener/innen und Wientouristen natürlich eine grosse Erleichterung für die Nutzung Wiens sein. Darüberhinaus ist es aber auch ein Projekt mit dem die Wiener auf Wien blicken und  zeigen, wie sie Wien selbst sehen. Ein grosser Schritt, wenn wir die Deutungshoheit, was Wien ist und wofür es steht, im virtuellen Raum des Internets ein Stück zurück nach Wien holen wollen.

Gleichsam ein virtuelles Wiener Haus der Geschichte?