Dem voraussichtlichen neuen Bundeskanzler Sebastian Kurz ist geglückt, was selten ein Politiker zustande bringt: sich selbst zur breiten Projektionsfläche unterschiedlichster Erwartungen zu machen.
Für die alltagsenttäuschten VP-Wähler war er der Wunderknabe, der eine vollkommen unbewegliche Partei noch einmal dynamisieren konnte.
Für viele junge Wähler war er die Projektionsfläche für einen längst überfälligen Generationenwechsel in der österreichischen Innenpolitik.
Für die von Ausländerangst geplagten Österreicher war er die abgesoftete (irgendwie vielleicht anständigere) Radikalvariante der Grenzen-dicht-Macher.
Für die Mehrheit seiner Wähler war er aber die große Hoffnung auf irgendeine Art von Aufbruch, Dynamik, Bewegung oder gar etwas Neuem.
Wer als Politiker eine derart breite Projektionsfläche abgibt, der muss Konkretes meiden, darf nur in der dunklen Andeutung bleiben, ohne dabei als Person Glaubwürdigkeit zu verlieren und darf nur konkret werden, bei dem was abzulehnen, nicht mehr zu ertragen ist und längst weg gehört.
Die Inszenierung der Gefühle, die mit einer solchen politischen Person verbunden werden muss, hat ein Ziel: den Wahlakt zum finalen Gefühlserlebnis eigener Befreiung zu machen.
Jetzt oder nie.
Zukunft oder…. (bitte auswählen: Dunkelheit, Untergang, Schuld, Reue…).
Und zu dieser Inszenierung gehört im Idealfall auch der symbolische Beweis, dass nur diese eine Person, und zwar wirklich nur und ausschließlich diese eine Person, der Hoffnungsträger ist:
„Liste Sebastian Kurz“, die neue Volkspartei.
Genial.
Spätestens seit dem unfreiwilligen Rückzug von Peter Pilz weiß man, was ein Name in einer Parteibezeichnung bewirken kann: bei Abhandenkommen der zentralen Person viel Orientierungslosigkeit.
Schon deshalb wird dieser Zusatz „Liste Sebastian Kurz“ in der traditionell intrigensüchtigen Volkspartei für Kurz zu einer politischen Lebensversicherung erster Klasse. Ohne Kurz ist die ÖVP nur noch der halbe Name.
Haben da die Granden in der Volkspartei gar etwas verschlafen, oder war deren Selbstvertrauen als politische Partei so geschrumpft, dass seinerzeit Kurz leichtes Spiel hatte?
Wie auch immer. Jetzt, nach erfolgreicher Wahl, muss Kurz liefern. Der Aufbruchsgeschichte seines Wahlkampfes muss nun ein Regierungsprogramm folgen, dass dieser breiten Projektionsfläche seiner politische Person gerecht wird.
Das ist gar nicht so einfach. Denn, wenn das grelle Licht der Tagespolitik die Projektionsfläche ausleuchtet und das Halbdunkel des Unkonkreten verschwindet, dann können die auf ihn projizierten Erwartungsbilder seiner Wähler rasch an Kontrast verlieren.
Zurück bleibt dann ein großes schales Bild nicht eingelöster Hoffnungen.
Irgendwie spannend.